Marcialonga
ein wohlklingender Name für ein verrücktes Ski-Event. Nachdem es letztes Jahr der Wasa Lauf in Schweden war sollte es dieses Jahr nun der Marcialonga sein. Der Marcialonga ist ein Skiwettkampf in der klassischen Langlauftechnik über 70 km im Trentino in den Süddolomiten durch das Val di Fassa und Val di Fiemme in Italien.
Das Besondere an diesem Lauf:
Die
Strecke führt direkt durch 13 an der Strecke liegende Dörfer.
Teilweise läuft man durch Gassen, die nicht mehr als 3 m breit
sind, über Marktplätze und dann wieder durch Natur bis das
nächste Dorf kommt. Verrückt!
Die Zweite Herausforderung ist die Streckenführung. Die ersten 19 km geht es nur bergauf, dann 47 km leicht bergab und zum Schluss kommt der Hammer: Auf den letzten 2,5 km geht es steil bergauf – hier sind noch einmal 200 Höhenmeter zu überwinden. (für alle, die sich auskennen – das ist ziemlich genau das gleiche wie den Auersberg hoch bis zur Spitze)
Klaus und ich hatten mächtig Respekt, deshalb wollten wir direkt nach Neujahr 4 Tage ins Erzgebirge, Ski laufen ,um zu trainieren. Die Bedingungen waren gut – also gesagt getan. Auf nach Carlsfeld und am Anreisetag noch schnell 30 km trainieren. Nächsten Tag 10.00 Uhr in der Loipe und mindestens 50 km trainieren – so der Plan. Nicht bedacht hatten wir unseren Ankunftsabend. im Skihäusel, wo wir mit den Einheimischen verschiedene Freundschaftsrunden trinken mussten. Mit dickem Kopf machten sich dann mittags um 12.00Uhr zwei sichtlich angeschlagene Gestalten in die Spur. Die geplanten 50 km haben wir aber trotzdem noch geschafft.
Am 25.01. war es dann so weit- 900 km Anfahrt nach Italien. Wir fuhren mit dem Auto – 1 Tag eher als der Reiseveranstalter (Schulz-Sport-Reisen aus Dresden), weil wir noch trainieren wollten. Nach unserer Ankunft nahmen wir noch in der Nacht die Loipe in Augenschein – alter Schnee bretthart gefroren. Oh weh!
Freitag morgen dann ab ins Auto und Startnummern holen. Leider hatten wir unsere Reisebeschreibung nicht so genau gelesen und suchten am Startort anstatt am Zielort. Was soll´s – so hatten wir den Startgarten auch schon mal gesehen. Also ab nach Cavalese zum Zielort. Jetzt sahen wir auch, was es mit dem berühmten Schlußanstieg auf sich hat. Cavalese liegt auf einem Berg, die Skistrecke unten im Tal. In Cavalese selbst war schon der Zielgarten aufgebaut – es wurde gerade tonnenweise Schnee in die Gassen gekarrt, um den Zieleinlauf vorzubereiten.
Am Nachmittag dann noch mal ca. 30 km auf der Originalstrecke trainieren. Höhe Cavalese verläuft die Strecke unter einer Seilbahn durch – wer sich erinnert: Hier ist vor Jahren mal ein Kampfflugzeug der Amerikaner durchgeflogen und hat dabei das Seil durchtrennt, so dass die Gondel abgestürzt ist und viele Menschen (darunter einige Urlauber aus Sachsen) ums Leben gekommen sind.
Abends dann konnten wir dann die
restliche Reisegruppe begrüßen -25 weitere
Skiverrückte.
Samstag dann Abfahrt mit dem Bus Richtung
Canazei. Hier konnten wir noch einmal auf der Originalstrecke einen
Teil des Anstieges nach Canazei trainieren. Der Respekt wurde immer
größer.
Nachmittags dann Skiwachsen – 25 Leute versuchten irgendwie die richtige Mischung für den nächsten Tag zu finden. Klistern, das war klar – aber welcher?
Sonntag, 28.01. – es ist
soweit – der Renntag. 6.00 Uhr Frühstück (immerhin 4
Stunden später als beim Wasa-Lauf); 6:30 Uhr Abfahrt mit dem Bus
zum Start nach Moena auf ungefähr 1.150 m Höhe. Der Start
beginnt um 8.00 Uhr und zieht sich bis weit nach 9.00 Uhr. Es wird in
14 Startgruppen gestartet – je nach vorherigem
Leistungsvermögen. Klaus war in Startgruppe 6, ich in 9.
Gewertet wird anders als beim Wasalauf die Nettozeit – das
heißt, die Uhr fängt erst an zu laufen, wenn man die
Startlinie überquert. 8:25 war es für Klaus soweit, für
mich 8:40 Uhr. Nun also 19 km bergauf. Schiß und Respekt
begleiteten mich. Und persönliche Ziele hatten wir ja auch –
Klaus wollte unter 5h laufen, ich unter 6h. Und dann war da noch eine
interne Wette. Klaus wollte mich um mehr als 1 h abhängen –
ich wollte das verhindern. Nach ca. 2 km der erste Stau – es
geht mitten durch den Startort Moena – kleine Abfahrten mitten
durch den Ort – mit Kurven und die Strecke nur 2 m breit –
da wollen 8.000 Läufer durch. Ansonsten permanent bergauf –
an vernünftiges Skilaufen ist noch nicht zu denken – zu
voll. Nach 5 km dann die ersten richten fetten Anstiege – im
Grätschschritt. Jetzt wird’s breiter und man kann sein
eigenes Tempo laufen. Noch 15 km bis zum höchsten Punkt der
Strecke - und immer leicht bergauf – Canazei entgegen. Wer was
drauf hat schiebt im Doppelstockschub. Klaus und ich hatten gut
trainiert – also Doppelstockschub. Ich hatte mir ausgerechnet,
dass ich den Wendepunkt am höchsten Punkt der Strecke (ca.1500
m) in unter 2 h schaffen musste um eine Chance zu haben- mein Ziel –
eine Gesamtzeit unter 6h zu schaffen – zu erreichen. Nach 1h
und 57 min erreichte ich die Wende –von nun an gings bergab.
Am Tag vorher beim Training war die Spur noch hart gefroren, so dass
es fast von alleine ging. Anders am Renntag, die Spur war warm und
weich – auch bergab war permanentes Schieben angesagt. Ich war
ziemlich platt - ich war doch etwas übers Limit gegangen,
bergauf hatte ich Platz um Platz gut gemacht – jetzt gings
wieder retoure – bis ich mich nach ca 1 weiteren Stunde
gefangen hatte. Apro pos bergab: Nichts da von gleichmäßig
bergab - tendenziell schon – aber immer wieder gespickt mit
steilen Anstiegen in Grätschschritt und knackigen Abfahrten.
Zwischendurch ein psychischer Höhepunkt: Die Loipe führte
direkt durch ein Bierzelt. Kurz danach ein weiteres Highlight: die
Abfahrt nach Moena – die ist so steil, dass die Läufer nur
einzeln runtergelassen werden – auf der Hälfte dann eine
180° Kehre (der Rammelsberg läßt grüßen)
und dann mit Vollspeed bergab durch Moena – dort auch mehrere
Kurven das man aufpassen muß nicht volle Kanne gegen eine
Hauswand zu knallen. Echt verrückt! Aber geil! Von hier noch 35
km bis ins Ziel. Jetzt immer gleichmäßig an einem Bach
lang durchs Tal. Ich bin jetzt wieder fit und habe die zweite Luft –
ein Läufer nach dem anderen wird überholt. Nächster
Ort Predazzo - hier ist Zielpunkt für die kurze Strecke (45 km).
Die Loipe führte direkt durch die Stadt – dazu wurden am
Vortag tonnenweise Kunstschnee aufgekippt. Blöd nur, wenn es so
warm ist, dass die Schneekristalle nicht binden. Und die ca. 3.500
Läufer die schon durch waren taten Ihr übriges. Nix da mit
Spur oder hartem Untergrund – es war eher so, als ob man durch
Styroporkügelchen fahren würde. Die Strecke war so tief,
dass die Skier unterm Schnee nicht mehr zu sehen waren.
Sauanstrengend. Nach 60 km sieht man dann direkt 100 m entfernt den
Schlußanstieg nach Cavalese hoch. Aber nix da – erst noch
weitere 4 km im Tal nach unten. Frustrierend, wenn man weiß,
dass man das alles wieder hoch muß – und noch
frustrierender wenn man die Läufer sieht, die einem schon
entgegen kommen. Bei km 64 dann die Wende und zurück alles
wieder bergauf. Und so gut der Ski vorher war – der Steigwachs
ist runter, kein Gripp mehr. Viele sind entnervt und versuchen im
Tippelschritt diese 4km bis zum Schlußanstieg hinter sich zu
bringen. Ich habe noch ca.45 min um eine Zeit unter 6 h zu schaffen.
Mit Tippelschritt wird das nix. Also Doppelstockschub bergauf –
nach über 60 km eine elende Quälerei. Und dann ist Sie auf
einmal da, die Wand von Cavalese. Die letzten 2,5 km 200 Höhenmeter
knallhart bergauf. Und hier direkt am Fuße des Schlußanstieges
ein Service der besonderen Art. Eine Wachsstation um einem wieder
Gripp unter den Ski zu bringen. Aber keine normale Wachsstation –
sondern eine, die die Leiden der Läufer berücksichtigt. Man
stellt sich an eine Schlange an, aber ehe man es sich versieht ist
man schon dran. Einer hält Dich fest, ein anderer macht Dir
Deine Skier ab, reicht diese weiter zum Wachser, der zieht diese
durch eine Maschine, der nächste schnallt Dir Deine Skier wieder
an und ehe man es sich versehen hat – das ganz Prozedre dauert
nicht mal 2min – hast Du Skier unterm Fuß mit einer
frisch gewachsten Steigzone. Und die ist auch nötig – es
ist eklig steil – in Serpentinen geht´s den Berg hoch
nach Cavalese. Es zählt nur noch eines: Hirn aus, Autopilot an,
Schmerzen vergessen und hoch da. Und dann ist er da, am Eingang der
Stadt, der letzte Km. Die Gassen hoch zum Marktplatz - Leute, die
Deinen Namen rufen und Dich anfeuern – und dann hört man
Ihn – den Zielsprecher. Alles ist vergessen – es ist
geschafft. Die Uhr bleibt stehen bei 5 h und 51 min.
Wie wird´s
wohl Klaus ergangen sein? Egal – erst mal Elektrolyte
nachtanken – zur Not schmeckt auch italienisches Bier.
Die
Lebensgeister kommen wieder – ein zwei Bier gehen noch. Dann
mit dem Bus zurück ins Hotel.
Klaus liegt völlig fertig
auf dem Bett. Hat er sein Ziel geschafft – unter 5 h?
Hat
er!! Glückwunsch! Wieviel? 4.48 min. Sch….., das sind 1 h
und 3 min schneller. Wette verloren. Ab in die Pinte, Geisl
zahlt!
Egal, nächstes Jahr Revance. Wo? Nicht Marcialonga.
Kanada oder Island – mal sehen……
Geisl